In diesem Beitrag möchten wir uns einem sensiblen Thema widmen, der Maulkorbpflicht für sogenannte Listenhunde. Mit unserer Listenhündin Susi im Team, liegt uns dieses Thema sehr am Herzen. Schubladendenken ist etwas das wir nicht verstehen können. So geht es auch unserer Gastautorin. Auch sie ist glückliche Hundemama von zwei Listenhunden. Schon lange setzt sie sich mit der Rechtslage in diesem Gebiet auseinander und hat uns aus ihren Recherchen diesen wirklich spannenden Artikel verfasst.
Als 2018 eine stark alkoholisierte Hundehalterin in Wien mit ihrem Rottweiler, der schon durch einen Beißvorfall den Behörden bekannt war und einer eigentlichen Maulkorbpflicht im öffentlichen Raum unterlag, bei einem Spaziergang ein Kind so schwer verletze, dass es im Krankenhaus den Verletzungen erlag, lagen die Nerven blank. Bei Eltern, bei Hundebesitzer*innen, in der Politik. Ergebnis war das vermeintlich härteste Tierschutzgesetz Österreichs, eine Anlassgesetzgebung, die nicht ohne Grund sehr umstritten ist.
Die 2019 erlassene Novelle des Wiener Tierhaltegesetzes stieß nicht nur bei Listenhundbesitzer*innen und Hundeexpert*innen schwer auf, sondern auch bei der Österreichischen Tierärztekammer, bei dem Österreichischen Kynologenverband, und dem österreichischen Hundehalteverband, die von „Sima-Willkür“ und Hundehass pur“- die von “einem Wiederspruch der Grundsätze der Hundehaltung“, oder „unzumutbare Restriktionen“ in Bezug auf die Rasseliste und dessen einschneidende Einschränkungen sprachen, den Schuld an einem Biss ist immer das andere Ende der Leine. Als Hundehalter*in ist man per Gesetz dazu verpflichtet, den Hund so zu verwahren, dass er weder für sich selbst, noch für andere eine Gefahr darstellt. In der Novelle 12 des Wiener Tierhaltegestzes ist es hier aber etwas anders. Den man stellt Listenhundbesitzer*innen grundsätzlich in Frage, artgerecht und fachgerecht für ihren Hund zu sorgen. Gleichzeitig geht man von einer grundsätzlichen Aggression von sogenannten Listenhunden aus.
Doch die generelle Rasseliste und die damit entstehenden unnachvollziehbaren Konsequenzen für Hundehalter*innen ist nach wie vor kein geeignetes Mittel, um für Sicherheit zu sorgen oder um die Hundehaltung in der Stadt zu verbessern.
Fundierte Studien belegen außerdem, dass die Rasseliste keine Auswirkung auf die Anzahl der Hundebisse hat, da die meisten Unfälle mit Hundebissen grundsätzlich in den eigenen vier Wänden stattfinden (Quelle). Dass der Gesetzgeber nicht in den privaten Raum eingreifen kann ist klar, auf Aufklärung, wo sehr wohl die Möglichkeit des Eingreifens besteht, wurde jedoch bei der Gesetzgebung keinen Wert gelegt, ebenso wenig wie auf die Meinungen von Expert*innen, die seit teils Jahrzehnten mit Hunden arbeiten. Dies weder in der Schaffung der Rasseliste 2010 noch in den massiven Einschränkungen für Listenhunde 2019.
Doch was geschah genau?
Kurzerhand kam man zu dem Entschluss, sämtlichen Listenhunden in Wien, neben dem Rottweiler noch 11 anderen Rassen, eine generelle Maulkorbpflicht zu verhängen. Es wurden über 3000 Listenhundbesitzer*innen und ihre Hunde für das Vergehen einer alkoholisierten Hundehalterin verantwortlich gemacht unter Generalverdacht gestellt, potentiell gefährliche Hunde zu führen und diese nicht kontrollieren zu können. Das Gesetz erhitze derart die Gemüter, dass es sogar beim VfGh landete und eine breite Diskussion über die eigentliche Intention der damals zuständigen Stadträtin Ulli Sima entfachte.
Kurzer Hand entschied die Veterinärmedizinischen Universität Wien sich dazu eine Studie über die rassespezifische Gefährlichkeit von bestimmten Hunden durch zu führen. Das Ergebnis war eindeutig: Die Gefährlichkeit einer Rasse kann weder wissenschaftlich noch durch Beißstatistik belegt werden können. Listenhunde per se gibt es somit nicht. Das Gesetz flog somit wissenschaftlich in jeder Instanz durch (zur Studie). Gerald Pölz, Vorstand des Österreichischen Hundehalterverband, machte sich in einem offenen Brief beispielsweiße über die Rasse „Staffordshire Bullterrier schlau, welche der Statistik zu Folge in Wien noch nie zugebissen hat und dennoch auf dieser Liste steht (Quelle).
Was der Maulkorb bewirkt
Eine generelle Maulkorbpflicht für (Listen-)Hunde bedeutet, dass sie weniger Möglichkeiten haben artgerecht zu kommunizieren und dadurch ein höheres Risiko besteht, dass sie in ihrer Sprache untereinander eingeschränkt sind. Das führt zu viel riskanteren Situationen im öffentlichen Bereich. Zu meinen, umzäunte Hundezonen würden reichen, fasst zu kurz, da tendenziell in Wien umzäunte Hundezonen (die einzigen Orte, wo kein Maulkorb getragen werden muss) schlichtweg zu klein sind, um den Hund artgerecht auszulasten oder ihm die Möglichkeit zu geben sich zu sozialisieren.
Als im Jänner diesen Jahres in Oberösterreich das Gesetzt über eine Rasseliste auf der politischen Agenda stand, rückten sofort sämtliche Hundehalterinnen und Hundehalter, Expertinnen und Experten, Vereine und Hundenahen-Institutionen zusammen um gemeinsam die Unsachlichkeit, die Wirkungslosigkeit und die mangelnde Wissenschaftlichkeit hinter dem geplanten Gesetz aufzuzeigen. Nach der Begutachtungsfrist und der Möglichkeit der Stellungnahme seitens der verschiedenen Institutionen und auch rechtlichen Einschätzungen zu dem geplanten Gesetz hat sich die oberösterreichische Landesregierung letztlich GEGEN eine Rasseliste ausgesprochen. Sind Listenhunde in Wien gefährlicher als in Oberösterreich? Ist der Ridgeback, der in Vorarlberg auf der Kampfhundliste steht gefährlicher als in Wien, wo er nicht auf der Liste steht?
Es ist daher mehr als deutlich, dass nur eine gesunde Kombination aus artgerechten und effektiven Gesetzen zu einer positiven Gestaltung des öffentlichen Leben mit Hunden führen kann. Die generelle Maulkorbpflicht ist für Listenhunde schlichtweg nicht nur nicht tierschutzkonform oder sinnvoll, sie zieht letztlich viel größere Risiken mit sich.